Sonntag, 28. Februar 2016
von kleinen Schritten nach vorn, und Stolpersteinen
Ganz ganz langsam scheinen die Anti-Depressiva zu wirken. Zumindest hat mein Mann in 2 Wochen ganze 10 Kilo zugelegt... was bei seiner Figur und seinem Blutdruck nicht unbedingt als Erfolg zu bezeichnen ist. Letztes Wochenende berichtete er bereits darüber, dass er mit seinem Körper unzufrieden ist... In der letzten Visite sprach er das Thema dann mal an und bekommt nun langsam ein neues Mittel... dazu bekommt er zur Zeit 2 Anti-Depressiva gleichzeitig. Daher weiß ich auch nicht, ob alles, was ich nun berichten werde ein Werk der Mediskamente ist oder sein eigens erarbeiteter Erfolg.
Am Dienstag, der Tag an dem ich abends immer in die Klinik fahre, war es für mich ein schwieriger Tag. Meine Laune war sehr wackelig, unser Großer hatte schon morgens geweint, weil er den Papa vermisst und ich fühlte mich nach dem Wochenende wieder sehr ausgelaugt von der ganzen bizarren Situation. Auf der einen Seite hatte mich gefreut, dass die Ärzte und Psychologen bei meinem Mann sofort die Dinge angesprochen hatte, die ich am Telefon fallen gelassen hatte.. jedoch machte es mich (und es macht es auch bis heute) wütend, dass man mich nicht zu einem gemeinsamen Gespräch bittet. So bin ich zwar ein dankbarer Anker, soll die Stabilisierung meines Mannes unterstützen, bin scheinbarer ein guter "Tipp-Geber" für die Alltagsprobleme... aber ein klärendes Trialogisches Gespräch (Fachkraft-Betroffener-Angehöriger) wird einfach nicht geführt. Und so läuft es immer immer wieder gleich : Ich merke meinem Mann gegenüber Probleme an, die es am Wochenende nach wie vor gibt, er erkennt diese Probleme (oder er tut so.. ich weiß es nicht) und bittet mich dann, dass den Fachkräften in der Klinik mitzuteilen.... um mir jedoch im selben Atmenzug vorzuwerfen, ich solle mich nicht wie seine Betreuerin benehmen. Was denn nun?? Und nein, ich werde den Leuten in der Klinik gar nichts von mir aus sagen.. sollen die sich doch die Zähne ausbeißen!

Mein Mann war deprerssiv geworden, weil er seinen Beruf nicht mehr ausüben konnte und sein Hobby aufgeben mußte. Anschließend wurden seine Ideen und Möglichkeiten immer wieder seitens der Behörden kaputt geredet und am Ende war er so psychotisch, dass er auch keine "großen" Schritte beruflich mehr tun konnte. Nun soll er in 2- 3 Wochen nach Hause kommen... und mich erwischt die kalte Panik. Denn es gibt nichts, was er in der Zeit tun kann. Eine Arbeitsstelle hat er nicht, etwas neues anfangen kann er nicht, weil er gar nicht arbeitsfähig ist. Was soll er die 3 Monate zu Hause tun? Auf dem Sofa sitzen und wieder Luftlöcher starren?? Dann hätte er nicht in die Klinik gehen müssen.
Seine Idee, ein Praktikum in der Ergotherapie.. . evtl als zukünftiges Arbeitsfeld. Schnell wurde deutlich, dass hier nicht von Praktikum in der Ergo gesprochen wurde, sondern von Arbeitstherapie in der Ergo.. also sich zusammen mit anderen Patientin in verschiedenen Arbeitsbereichen der Klinik auszuprobieren. Es war also nie die Rede von "anderen helfen" etc, was er sich so vorgestellt hatte. Entsprechend geknickt war er Donnerstag, nach dem Gespräch in der Ergo-Praxis... in meinen Worten : Wieder ein vor die Fresse bekommen. Die Ausblidung der Ergo dauert außerdem 3 Jahre, ist nicht bezahlt und ist so auf dem zivilen Markt schier unmöglich umzusetzen. Ein ehemaliger Bundeswehrkamerad besuchte ihn zum Glück den Abend sehr spontan und erzählte von Physiotherapeuten, die es nun auch bei der Bundeswehr gibt.... und da läuft ja immernoch der Antrag auf Wiedereinstellung. Das weckte ein bischen neue Hoffnung in meinem Mann.
Am Dienstag hatte ich den Wunsch geäußert ( und es war nur ein Wunsch... Wünsche gehen nicht immer in Erfüllung, das weiß ich!!) , daß er uns am Freitag nachmittag besuichen kommen würde! Da er mir sagte, ich solle ihn nicht "betreuen" und ich diese Mutti-Rolle auch nicht mag... wollte ich ihm deutlich machen, wie viel Mutti-Rolle es ist, wenn man ihn jedesmal aus der Klinik abholen und wieder zurück bringen muß! Da er nicht Auto fahren darf muß er wohl die Öffentlichen nehmen.. und das tarut er sich nicht!
Ergebnis meines Wunsches war, dass er in der Visite Donnerstag außerdem ansprach, er müsse lernen Bus und Bahn zu fahren.,.. da er ja nicht Auto fahren darf!
Ab nächste Woche wird also geübt. Zeitgleich berichtete er mir, dass er ein superneues und teures Medikament versucht zu bekommen, welches in besonderen Tagen genommen werden, damit er nicht dissoziiert und Auto fahren darf. Ich dahcte ich spinne! Er ist in Therapie, damit er aufhört unkontrolliert zu dissoziieren... und dann will er sich nen Medi holen, was einfach Schnipp.. Aus macht?? Anstatt das Problem zu bearbeiten? Dafür brauch er nicht seit 5 Wochen in der Psychiatrie sitzen. Was nen Schwachsinn.. meiner Meinung nach.. und die halte ich auch nie hintemr Berg. Es bleibt spannend, was daraus wird.
Donnerstag Abend bat ich ihn sich die Nebenwirkung seines neuen Lieblingsmedikamentes mal durchzulesen. Er holte sich jeden Abend ein sehr sehr starkes Medikament, welches nur Bedarfsweise gegeben werden sollte, falls man vor lauter Panik nicht schlafen kann. Das nahm er inzwischen profilaktisch... trotz recht erholtem Schlaf. Und die Nebenwirkungen hauten mich um... es konnte bei längerer Anwendung zusammen mit seinem Blutdruck tödlich sein!!! Nachdem er sich das durchgelesen hatte.. und ich ihn nochmals auf seine Neigung zu psychischer Abhängigkeiten von Medikamenten ansprach... fragte er die Nachtpfleger und setzte es ab! Allein wäre er nicht auf die Idee gekommen... hatte er die Aufklärung mal wieder nicht mitbekommen.... dissoziiert oder vergessen .. egal. beides ist Hauptbestandteil seiner Krankheit! Warum achtet die Klinik nicht darauf??? Und warum muß ich wieder in die Betreuer-Rolle wechseln. Was will er eigentlich?? Dieser Konflikt macht mich immernoch wahnsinnig... und das zieht sich auch duch das sonst sehr positive Wochenende.

Am Freitag also kam mein Mann uns tatsächlich besuchen... er war die 14 km in 2,5 Stunden durch die Berge gelaufen.... weil er sich ja nicht in Bus und Bahn traut. Da aber das Wetter so wahnsinnig sonnig war und mein Mann Herausforderungen in der Natur liebt und er uns außerdem einen Wunsch erfüllen konnte... war er fast schon euphorisch, als er ankam. Und es tut sehr gut, seinen Partner mal wieder lachen zu sehen!!!!! Er folgte also unserem gemütlichen TV-Abend mit den Kids und am Abend brachte ich ihn wieder zurück.... um ihn Samstag morgen wieder abzuholen. Er darf nur eine Nacht am Stück zu Hause schlafen.
Freitag mittag gab es nochmal eine Betreuersituation : Er beschwert sich regelmäßig, dass er sich als Gast zu Hause fühle... und fragte mich Freitag mittag, ob er einen Schlüssel mitnehmen solle?! Ich antwortete möglichst unpädagogisch: Jemand, der mich ohne Schlüssel besucht, ist ein Gast. Wer hier wohnt hat einen Schlüssel!
Stimmt.... :)
Samstag war der Tag recht entspannt, nachmittags ging es zur Geburtstagsfeier meines Vaters. Ich bat ihn mitzukommen, da er ja ganz normal weiterhin mein Mann ist! Also gehört er dazu. Wir trafen dort auf meine Geschwister mit Anhang und eine Freundin der Familie... das war überschaubar. Meine Familie ist allerdings gespalten, was unsere Ehe betrifft, da der eine Teil der Familie nur sieht, wie es mir so schlecht geht/ging und der andere Teil mich einfach bei all meinen Entscheidungen unterstützt. Daher war es für meinen Mann sicher kein einfaches Unterfangen mich dort zu begleiten. Aber er tat es, war zwar recht still, aber stolz auf sich. Im Nachhinein betonte er nochmal, wie gut es ihm tat, sich nicht zu verstecken... brauch er auch nicht.
Wenn ICH sage, ER gehört weiterhin zu mir, wir gehen den Weg gemeinsam, dann braucht da niemand gegen reden...soweit sollte man mich kennen!
Samstag Abend war mein Mann dann entsprechen etwas angespannter und ich nenne den Abend mal nicht Rückschritt, aber es war ein Stolperstein in der Genesung. Ein Rückfallen in alte Muster.. für den Moment.
Zu Hause schläft mein Mann sehr ruhig und tief... ohne extra Medikament.
Sonntag sprachen wir gemeinsam nochmal über berufliche Perspektiven und mir kam die Idee, anhand von Stellenanzeigen 2 Listen zu erstellen mit : ist mir wichtig/ will ich auf keinen Fall.. um mal zu sehen, was meinem Mann im Beruf so wichtig ist. Der Gedanke der Physiotherapie sprach ihn an und ich kann mir ihn auch gut darin vorstellen. Es kam aber noch eine ganz andere Sache dabei heraus... die zu allem passte, was er auf die Listen geschrieben hatte. Hundetrainer! Es gibt die Möglichkeit bei der Bundeswehr eingesetzt zu werden, aber auch im zivilen Bereich. Er könnte PTBS-Begleithunde ausbilden oder Assistenzhunde für Behinderte. Er war reslos begeistert und mal wieder ein kleines bischen euphorisch... ich vermerke mir "aufpassen, dass er nicht manisch-depressiv wird". Und freue mich dann ...

Nachmittags gingen wir im Wald spazieren, was uns immer sehr gut tut! Schön wars!
An Herausforderungen hatte mein Mann also einiges bewältigt an diesem Wochenende : Sich dem skeptischen Teil meiner Familie gestellt, seinen Vater getroffen und mit dessen Freundin sogar etwas länger gesprochen. Wir trafen einen Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr, der gar nicht wusste wo sich mein Mann befindet... und er erklärte es! Später trafen wir noch einen Bekannten und auch hier erklärte mein Mann, was er gerade tut. Dann hat er noch eine berufliche Perpektive ins Auge fassen können und ich konnte ihm nochmal mitgeben , an seiner Eigeninitiative zu arbeiten. Damit er Dinge aus der PSychiatrie auch zu Hause allein umsetzen kann und ich nicht immer wieder in diese Betreuer-Rolle rutschen muß/oder es einfach tue.

Und wie geht es mir? In kleinen Schritten besser, ich nehme seit 1 Woche Johanniskraut.. die Sonne scheint nun öfter und meine Laune steigt. Ich sehe ganz ganz kleine Schritte vorwärts bei meinem Mann und konnte an einem Tag in der Woche schon wieder mein Studium in Angriff nehmen. Am Freitag bekam ich dann noch Bescheid von der Krankenkasse, dass die Mutter-Kind-Kur genehmigt ist..solang ich dort versichert bin. Sollte mein Mann bei der BW wieder eingestellt werden, dann kippt das ganze! Daher bin ich nun zuversichtlich, dass der Antrag der Wiedereinstellung bald positiv entschieden wird. Ich kümmer mich darum mal schonmal drum, wie ich meine Kur dann sichern kann :) Ich freue mich sehr auf die Kur..zumal mein Mann dann wieder stationär gehen wird und ich so beruhigt fahren kann.
Meine berufliche Zukunft gehe ich nun auch wieder an, ich weiß wo ich hin will und ich werde versuchen, dieses Ziel zu erreichen.
Außerdem kann man seit dieser Woche nun auch das Buch, in dem der Anfangsartikel dieses Blogs abgedruckt ist, bestellen und kaufen! Ich bin stolz wie Oskar!!
So.. heute also recht psitiv... ich bin mir sicher, es wird nicht immer so sein... aner grad lädt mein Akku ein wenig auf!

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