Montag, 7. März 2016
Es riecht nach Blut... und es verändert sich etwas
lange habe ich heute überlegt, wie ich den Beitrag betiteln soll.. was passt nach der letzten Woche und dem Wochenende.. und heute ist Montag.
Warum schreibe ich davon, welcher Wochentag ist? Montage sind schwere Tage geworden. Denn es wartet nach jedem schönen, fast normalen Wochenende ein Loch.. das Montagsloch. Es ist schwer, wie sich so ein Montag anfühlt. Doff.. irgendwie.. und das nicht nur bei mir. Es geht auch unserem Sohn Montags meist schlechter. Als ich meinen Mann gestern zurück in die Klinik brachte, waren es das erste mal vertauschte Rollen. Sonst war er immer der "vernünftige", hatte ja im Hinterkopf, dass er Sonntags abends wieder in die Klinik mußte. Er war dann meist recht pragmatisch... kühl oder reserviert wären falsche Worte. Ein bischen hat es sich immer angefühlt, als freue er sich auf sein zweites zu Hause.. ja genau...böse ist das, aber irgendwie ein bischen ehrlich. Die Klinik ist ein wenig sein zweites zu Hause geworden. Zumindest sehe ich das so und auch er stolpert beim Reden manchmal und spricht von "nach Hause" statt zur Klinik. Es ist halt sein sicherer Ort, weit weg vom Alltagsstreß und von der Verpflichtung auch für andere da sein zu müssen. Sein Ort! Der Ort an dem nur er und nur seine Empfindungen zählen. Und das ist auch die nächste Veränderung, zumindest bei mir. Es tut mir nicht mehr weh, die Klinik als sein zweites zu Hause zu bezeichnen. Er ist krank, er braucht einen sicheren Ort und den können wir als Familie eben nur bedingt geben... für uns geht schließlich ein "normaler" Alltag weiter, mit Alltagsproblemen.... dafür hat er keinen Kopf frei und darum braucht er diesen sicheren Ort in der Klinik. Für mich ist das nun ok. Ich habe nicht mehr den Anspruch an mich und uns, ihm diesen Ort zu Hause zu bieten.

Also, wie gesagt es drehte sich gestern Abend. 2 Stunden bevor ich ihn zurück fuhr, wurde seine Laune schlechter und stiller... sein Blues... er wollte nicht zurück in die Klinik. Das Wochenende war schön, die ganze Woche war für ihn schön... für mich nur bedingt, da die existenzielle Not mir arg im Nacken sitzt. Aber dazu später mehr. Für mich war es gestern normal, ihn zurück zu fahren. Der Abschied fiel auch nicht schwer. In meinem Kopf ist er in der Klinik besser aufgehoben. Besonders heute.. heute soll er seine Trauma aufzählen! Ich habe ihm deshalb nochmal gesagt, was ich ihm eigentlich immer sage.. aber gestern hatte es einen besonders wichtigen Wert: Wenn du das Bedürfnis hast zu reden, dann kannst du mich gern anrufen oder mailen oder was auch immer. Und wenn du deine Ruhe haben willst und dich garnicht melden magst, dann ist das auch ok für mich!
Auf jedenfall bin ich in Gedanken heute wieder bei ihm, vermutlich wieder den ganzen Tag... vermutlich wird es mich darum wieder in das tiefe Loch ziehen... vielleicht hilft es mir aber auch, das Loch zu kennen.. und vielleicht schaffe ich darum den Schritt drumherum... ich weiß es nicht!

Die letzte Woche... sie war ein auf und ab! Montag war ich in mein Loch gestürzt.. Dienstag drin versunken.. ich weinte fast den gesamten Tag. Ich starrte auf der Arbeit, ich weinte auf der Fahrt nach Hause, ich weinte zu Hause.. ich starrte am Abend vor den Kindern.. und ich weinte die ganze Nacht. Mittwoch kam mein Mann nachmittags nach Hause, mit der Bahn!!!, um einen weiteren BV zu machen. BV heißt Belastungsversuch.. so nennt die Klinik das, wenn der Patient zu Hause übernachten darf. Ob das eine Belastung für den Patienten oder eine für dessen Familie ist , lasse ich mal eher unkommentiert. Der Mittwoch jedenfalls war ok. Donnerstag brachte ich meinen Mann morgens vor der Arbeit zurück in die Klinik. Dort passierte mir ein so blödes Missverständnis. Am Donnerstag sollte ich endlich ein Angehörigengespräch in der Klinik haben, denn trotz meiner regelmäßigen Besuche, nimmt man dort von mir als Angehörigen keine Notiz.. man grüßt mich nichtmal! Und irgendwie hatte ich im Kopf, dass es nun der Donnerstag sein sollte, an dem das Gespräch stattfinden sollte. Aber da hatte ich mich vertan.. das Gespräch ist erst diesen Donnerstag... und den ganzen Mittwoch hatte ich mich mit der Hoffnung auf dieses Gespräch über Wasser gehalten. Als mein Mann mich drauf hinweis, dass das Gespräch erst in einer Woche ist, brach meine kleine hoffnungsvolle Welt mal wieder zusammen... ich bat meinen Mann ohne Blickkontakt auszusteigen und in die Klinik zu gehen... ich wollte nicht, dass er sah, wie sehr meine Welt zusammen stürzte. Seit 6 Wochen ist er nun weg.. und außer dem einen Gespräch mit der Stationsschwester, welches wirklich gut tat, gab es nur das kurze Psychologengespräch am Telefon, wo man mich über die Krankheit aufklären wollte.. halt nein.. man werzählte mir nur, wie sehr krank mein Mann ist und in welchen Filmen ich mich schlau machen kann.... kotz. Wie krank er ist, dass weiß ich selber.. ich lebe ja mit ihm zusammen, ich beobachte die Krankheit seit 13, bald 14 Jahren. Vermutlich kann ich der Psychologin mehr über die Symptome meines Mannes erzählen, als sie selber weiß! Ihr Glück, dass sie am Telefon durchaus nett wirkte.. sonsgt wär ich damals wohl explodiert.
So weinte ich auch am Donnerstag auf dem Weg zur Arbeit und auf dem Weg zurück, und am Abend ... da telefonierten wir und mein Mann empfahl mir eine stationäre Unterbringung, wenn er zu Hause sei... ich lache mich innerlich kaputt. Als ob ich mich um mich kümmern könnte, wenn mein kranker Mann, der sich nichtmal richtig um sich selbst kümmern kann auch noch allein um unsere selbst angeschlagenen Kinder kümmern will. Sorry... dabei dreht sich mein Magen.Und es tu tmir leid, so sarkastisch sein zu müssen. Was mich zur Zeit so sehr belastet ist die Frage nach der Zukunft. In 10 Monaten läuft das Krankengeld aus, 1-2 Jahre dauert die Therapie, nach der ersten Phase dürfte mein Mann laut Ärztin 2x die Woche 3 Stunden täglich arbeiten.. ist damit zur Zeit erwerbsunfähig. in 10 Monaten ist mein Studium fertig, es folgt ein mies bezahltes Anerkennungsjahr, welches ich ja nichtmal Vollzeit machen kann, da ich ja alleinerziehend bin..krankheitsbedingt. Also müssen wir in einigen Wochen die Entscheidung fällen, ob wir unser Haus verkaufen oder nicht. Ich hing nie am Haus, aber in den letzten Wochen ist es zu meinem sicheren Ort geworden... Der Gedanke an den Hausverkauf geht einher mit den Schuldgefühlen, den Kindern ihr zu Hause zu nehmen.... ich weinte bei jedem Gedanken an die Zukunft.. mein Studium liegt weiter brach.... ich kann mich nicht konzentrieren und die Zukunftsangst blockiert alles! Ich schrieb also einen Brief an den PTBS-Beauftragten der Bundeswehr...
Freitag ging es mir immernoch schlecht, aber immerhin hatte jemand aus dem Büro des PTBS-Beauftragten mir gemailt.. und mir eine weitere Schweigepflichtsentbindung geschickt... das ist nun die 5. oder 6.....
Am Morgen war ich mit einem/ unseren Lotsen verabredet.. leider hatte auch er keine herausragenden Neuigkeiten... der Antrag auf Wiedereinstellung hängt.... warum auch immer. Wir werden einen Fachanwalt brauchen, leisten können wir uns den nicht! Beide Autos sind kaputt, reparieren können wir uns nicht mehr leisten. In 10 Monaten, wenn das Krankengeld ausläuft, dann werden wir finanziell am Ende sein.. eine Mietwohnung einzurichten oder persönlich zu renovieren... es wird nicht mehr gehen.. darum will ich das Haus vorher verkaufen, wenn sich nicht bald etwas tut... man liest es vielleicht, die Existenzsorgen sind wahninnig!
Doch nun zum Wochenende.
Freitag fragte ich meinen Mann, ob er uns besuchen möge... einfach nur eine Frage, wenn nicht, so ist es auch ok. Und das ist sogar wahr!! Er freute sich über die Frage, bat in der Klinik um Erlaubnis und begab sich mit Bus und Bahn zu uns! Die Kinder freuten sich über den überraschenden Besuch und ich mich natürlich auch. Es tat soo gut mit all den schlechten Gedanken und Sorgen mal nicht allein zu sein! Freunde melden sich seit einiger Zeit nicht mehr.. ich mag niemanden so sehen und die Freunde wissen nicht wie sie mit der Situation umgehen sollen. 2 Menschen besuchen meinen Mann.. ich und ein ehemaliger Einsatzkamerad.. und einmal war ein Feuerwehrkamerad da, der in tiefer Trauer über den Tod seines Bruders war. Man ist in dieser Situation als Familie einfach allein... das ist so! In der Anfangszeit sind noch alle da.. aber nach und nach kehrt überall der Alltag ein... und ich kann es auch keinem so richtig verübeln! Dazu kommt, dass viele mich mit großen, erwartungsvollen Augen fragen, wie es denn nun sei?! Die Erwartung ist deutlich.. jetzt ist alles gut.. es wird alles besser und bald ist das alles vorbei. Di eErwartung hatte ich anfangs auch.. aber sie ist der Realität gewichen, Ja, im moment geht es vorran, es sind kleine Schritte sichtbar.. aber die Schritte sind klein und sie birgen immer wieder Stolpersteine.. ein schlecht gepfalsterter Weg liegt da vor uns... und der dauert und ist lang... sehr lang! Und die ganze Zeit schwebt am seidenen Faden ein Hammer über uns... die Hammer der Wirtschaftlichkeit.. jeden Moment kann der Faden reißen und wir sind am Ende.. vielleicht trifft er uns dann, vielleicht trifft er nur einen von uns.. vielleicht schaffen wir es einen hochzuhalten... aber er schwingt unweigerlich! Das können andere nur schlecht verstehen und warum sollten sich andere damit belasten! Ändern kann es eh keiner!
Freitag abend brachte ich meinen Mann wieder in die Klinik, um ihn Samstag morgen wieder abzuholen, dann wieder mit Übernachtung bei uns. Samstag morgen war er gut drauf und ich auch!! Der Freitag zusammen, der spontane Besuch, das hat wahnsinnig gut getan! Wir hatten uns dann ja auch Dienstag in der Klinik gesehe, Mittwoch abend zu Hause, Donnerstag morgen zu Hause, Freitag zu Hause.. und Samstag und Sonntag standen uns bevor... eigentlich Rückblichend eine tolle Woche... wenn der olle Hammer nicht wäre!!
Wir frühstückten alle 4 zusammen, gingen danach gemeinsam schwimmen, kochten zusammen... Samstag hielten wir dann das Buch in der Hand... die unsichtbaren Veteranen.. mit unserer Geschichte.... ein komisches Gefühl... aber ein stolzes! Heute ist klar, dass dort nur der Beginn eines langen Weges niedergeschrieben ist... nur die Spitze des Eisberges.
Samstag abend schauten wir den Vorentscheid zum schwedischen Grand Prix.. eine schrullige Angewohnheit, die ich aus Schweden mitgenommen hatte. Ich weiß nichtmal, ob mein Mann das auch sehen will.. aber er tat es...mit mir zusammen. Die Nacht war ruhig, er schlief ruhig und fest. Ich schlafe seit langem nicht mehr durch, aber in diesen Nächten schlafe ich zumindest ruhig! Freitag war mein Mann in der Klinik nun endgültg in ein Einzelzimmer gezogen.. zweites zu Hause...
Samstag morgen rief unser Sohn, der im Dachgeschoß sein Zimmer hat, mich an.. ich sollte unbedingt hoch kommen.... Als ich hoch ging, roch es nach Blut. Er hatte die Nacht wohl Nasenbluten gehabt, und sein ganzes Bett recht heftig vollgeblutet. Sein Bett hatte er abgezogen, tiefe Blutflecken zierten die Matratze. Ich löste das Blut mit viel Wasser und zog die Blut-Wasser-Mischung mit Handtüchern aus der Matratze... es roch dadurch immer stärker nach Blut.... die meisten Menschen kennen den Geruch... für meinen Mann sind das kritische Momente, sie könnten jederzeit einen Flashback auslösen. Die Kinder erklärten mir, dass sie wegen dem vielen Blut mich angerufen hatten und nicht den Papa. "Das ist sicher nicht gut für Papa".... ja.. so lernen die Kinder mit der Krankheit umzugehen.. ob das gut ist, lasse ich dahin gestellt! Ich weiß es nicht!
Sonntag verbrachten wir ruhig, es gab einen kleinen Stolperstein beim Essen, wo mein Mann dem Sohn gegenüber sehr unfair reagierte.. ich nahm den Jungen in Schutz und wies meinen Mann auf dessen Verhalten hin... ab da war die Stimmung etwas reservierter. Ja.. richtig.. er ist immernoch krank!
Sonntag nachmittag gingen wir spazieren, aber wie gesagt... die Stimmung blieb angespannter als am Samstag. Stolpersteine halt!
Am Abend brachte ich meinen Mann nach "Hause"... für mich gewöhnliches Ritual an diesem Abend... für meinen Mann eine Erinnerung an die harte Realität.
Heute morgen... mein Buchausschnitt ist bei Facebook öffentlich... ich habe im Buch von einer Soldatin gelesen, die ähnliche Schwierigkeiten mit der Erkrankung und ihrem zivilen Mann hat.. Ich suche nach Unterschieden.. wir werden das schaffen!
Er schrieb mir eben, die Nacht hat er nicht geschlafen... er hat nur den Termin heute nachmittag im Kopf.... er muß über seine Trauma sprechen.
"Du schaffst das! Hab keine Angst, du musst es nicht nochmal erleben, du brauchst nur darüber berichten. Sieh dich selbst wie ein Reporter... ein Reporter, der über deine Geschichte berichtet" habe ich ihm geschrieben... Halt durch mein Held!!!

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